BUND Kreisverband Vogelsberg

Glyphosat

immer noch EU-weit zugelassen!

rechts im Bild grüne glyphosatbehandelte, links gesunde grüne Getreidepflanzen Glyphosat ist ein Blattgift. Rechts nach Behandlung mit dem Pflanzenvernichtungsmittel, links unbehandelt.  (WD)

Glyphosat ist in der EU weitere 10 Jahre zugelassen. Das Europaparlament wollte nicht entscheiden, jetzt hat die EU-Kommission im Alleingang die Wiederzulassung für zehn Jahre festgelegt.

Wir vom BUND finden: Das ist fatal.

  • Glyphosat verursacht massives Artensterben.
  • Zusätzlich zu den Umweltschäden gilt Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend.
  • Es schädigt das Nervensystem beim Menschen.
  • Glyphosat belastet das Grundwasser und Oberflächengewässer wie Seen und Flüsse.
  • Glyphosat belastet unsere Böden und die Luft.
  • Durch Regen und Wind kann Glyphosat auch auf benachbarte Flächen und sogar in Gebiete fern der Einsatzorte gelangen und sich so breit in der Umwelt verteilen.
  • 70% der untersuchten hatten Glyphosat im Urin! (BUND-Studie)

Es geht auch anders: Landwirt*innen im Öko-Landbau - dem eigentlichen und wirklich konventionellen, Jahrhunderte alten Landbau ohne Gift - kommen schon seit Jahrzehnten ohne Glyphosat aus. Unkräuter werden mit dem Grubber oder mit Striegel und Hacke innerhalb und zwischen den Kulturpflanzen entfernt. Unerwünschte Pflanzen auf dem Acker können mit vielfältigen Fruchtfolgen, Zwischenfrüchten, Untersaaten und Mischkulturen unterdrückt werden.

Wir fordern: Den sofortigen Ausstieg aus der Glyphosatanwendung. Es stehen genügend ungiftige Verfahren der Beikrautregulierung zur Verfügung.

U.B. 30.11.2023

 

Für eine gentechnikfreie Landwirtschaft

Acker mit Lein, der abgeblüht ist, blühende Hundskamille Lein  (R.B.)

Mit gentechnisch veränderten, patentierten Pflanzen werden höhere Erträge erzielt, der Hunger bekämpft und weniger Chemie auf dem Acker eingesetzt? Von wegen! Der BUND setzt sich seit Jahrzehnten für eine gentechnikfreie Landwirtschaft ein! Mehr unter folgendem Link:  https://www.bund.net/landwirtschaft/gentechnik/

 

Hier geht es zu einer Auseinandersetzung (pdf) mit diesen 10 Fragen:

1. Steigert die Gentechnik beim Pflanzenanbau die Erträge?

2. Verringern gentechnisch veränderte Pflanzen den Einsatz von Pestiziden?

3. Sind gentechnisch veränderte Kulturen eine dauerhafte und wirksame Lösung für Unkrautprobleme der Landwirte?

4. In den USA wurden Billionen von GVO-Mahlzeiten verzehrt. Also haben gentechnisch veränderte Pflanzen keine toxischen oder Allergie auslösenden       Wirkungen - richtig?

5. Können gentechnisch veränderte und nicht gentechnisch veränderte Kulturen "koexistieren"?

6. Werden gentechnisch veränderte Pflanzen für gute Ernährung benötigt?

7. Werden gentechnisch veränderte Pflanzen benötigt, um die Welt zu ernähren?

8. Was ist besser zur Produktion von Pflanzen mit nützlichen Eigenschaften - konventionelle Züchtung oder GVO?

9. Ist die Gentechnik präzise genug, um sicherzustellen, dass sie keine unangenehmen Überraschungen mit sich bringt?

10. Warum werden Pflanzen genetisch verändert?

 

Hier noch ein Link zu einem Statement von Martin Häusling (Mitglied des Europäischen Parlaments, Landwirt aus dem Schwalm-Eder-Kreis) zur Haltung der Grünen zur Gentechnik: https://www.martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2549-haeusling-ebner-debatte-um-die-positionierung-der-gruenen-zur-neuen-gentechnik-an-der-klaren-haltung-hat-sich-nichts-geaendert.html

Ökomodellregion Vogelsberg

Im Vogelsbergkreis ist der Anteil an extensiv bewirtschaftetem Grünland bereits relativ hoch. Jetzt soll auch der Anteil an ökologischem Ackerbau erhöht werden. Der Vogelsbergkreis erhält zur Unterstützung der Umsetzung seiner Entwicklungskonzepte als Ökolandbau-Modellregion einen Personalkostenzuschuss für das Projektmanagement für zwei Jahre von bis zu 75 Prozent der Personalkosten, maximal 50.000 Euro pro Jahr. Die Grüne Umweltministerin Priska Hinz hat am 26.06.2018 die Gewinnerlandkreise aus dem Wettbewerb zur Ausweitung der Ökomodellregionen (ÖMR) in Hessen bekannt gegeben. 12 von 21 hessischen Landkreisen sind Ökomodellregionen, das entspricht fast zwei Dritteln der gesamten Landesfläche. Hessen bekleidet mit 13,5 Prozent Ökoanteil an der landwirtschaftlichen Fläche bundesweit einen Spitzenplatz und ist auf dem Weg, Deutschlands erstes Ökomodellland zu werden. Einen Spitzenplatz in Hessen nimmt der Vogelsbergkreis mit einem Anteil von 22 Prozent ökologisch bewirtschafteter Fläche ein. Damit übertrifft er schon jetzt den im Ökoaktionsplan Hessen angestrebten Flächenanteil von 20 Prozent. Der Vogelsberg hat 46 Prozent landwirtschaftliche Fläche 3,5 Prozent der Erwerbstätigen im Vogelsberg arbeiten in der Landwirtschaft.

Die ÖMR bieten durch eine bessere Vernetzung zwischen Produzenten, Verarbeitern, den Märkten und damit auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein großes Potenzial, den Ökolandbau weiter zu stärken. So lassen sich neue Produkte oder neue Vertriebswege etablieren und erfolgreich vermarkten.

Der neu eingestellte  Projektkoordinator, Mario Hanisch, hat die Arbeit für die Ökomodellregion Vogelsberg aufgenommen. Ein BUND-Mitglied war am 23.05.2019 zu einer „Arbeitskreis-Veranstaltung“ ins AWLR (Landwirtschaftsamt) eingeladen worden und ist als Naturschützer im „Steuerungskreis“. Der Eindruck des Diplom Biologen: Trotz Behördenlastigkeit war es ein guter Auftakt, viele Öko-Bauern, davon erfreulich viele junge, waren anwesend. Es herrschte eine gute Stimmung.

Es wurde gefragt, was die Naturschutzverbände für Ideen für das Projekt haben. Folgende Ideen kamen den BUND-Mitgliedern:

Die Vermarktung von mehr pflanzlichen Produkten sollte voran getrieben werden. Sind die Äcker im Vogelsberg wirklich so schlecht, dass sie nur als Weideland taugen?  Es gibt im Vogelsberg kaum Gemüsebauern. Wie soll das einhergehen mit dem Wunsch zu mehr regionalen und pflanzlichen Nahrungsmitteln? Der Hauptbestandteil auf unserem Speiseplan sollte Obst und Gemüse sein. Außerdem ist es nicht ökologisch bzw. nachhaltig, Unmengen an tierischen Produkten zu konsumieren. Von der Gesundheit ganz zu schweigen. Wenn Fleisch, dann sollte es natürlich nicht aus Massentierhaltung stammen.Ein Beispiel wäre ein naturschutzfachlich optimiertes Weidemanagement. Außerdem ist eine mobile Schlachtung bzw. mehr Hausschlachtungen denkbar, damit die langen Transportwege zum Schlachter den Tieren erspart werden.

Man könnte Synergie-Effekte bei Öko-Landwirtschaft und Naturschutz fördern – und nicht „nur“ die Vermarktung pur, denn Biodiversität, Bodenschutz, Wasserschutz etc. sind erstens Werte „an sich“ – zweitens sind Erfolge/Anstrengungen  auf diesen Gebieten gute „Werbebotschaften“. Neben der Verringerung von Pflanzenschutzmitteln sollte die Überdüngung gestoppt werden. Bauern könnten Anreize dazu bekommen. Es gibt auch Ansätze wie die "pestizidfreien Kommunen", dass städtische Ackerflächen nur an Bauern verpachtet werden mit der Auflage, dass kein Glyphosat & Co. eingesetzt wird. Bei dem Thema Biodiversität könnte man die Vernetzung der einzelnen Schutzgebiete/Büsche/Blühstreifen etc. miteinbeziehen (war bei dem Vortrag in Lauterbach über das Messensterben der Insekten und anderen Tierarten gut erläutert).

Wenn man auf den Wochenmärkten tatsächlich Regionales kaufen könnte und nicht exotisches Gemüse vom Großhändler, wäre es nachhaltig. Bei vermeintlichen Sorten aus Deutschland muss man genau nachfragen. Bioprodukte fehlen dort komplett (zumindest in Alsfeld). Leider können die meisten dort gar nicht einkaufen, weil sie zu der Uhrzeit berufstätig sind, wo der Markt stattfindet. Immerhin bekommt man dort die Produkte verpackungsfrei. Es ist nicht nachhaltig, wenn man zu jedem Produzenten im Hofladen oder anderswo hinfährt, ein bestimmtes Produkt kauft und dann die nächsten abklappern muss. Ansätze einer Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaft von Moritz Schäfer gibt es bereits. Für eine SoLaWi waren es bisher nicht genug Interessenten, die mithelfen wollten. Schade, denn es waren Abholstationen geplant, wo man relativ flexibel seine Ration abholen könnte.

Um das Thema zugänglich rüberzubringen, könnte man einen Filmabend veranstalten z.B. mit dem Film "Die Wiese - Ein Paradies nebenan".Film-Abend mit "Die Wiese – Ein Paradies nebenan ".

Wir freuen uns auf weitere Diskussionsbeiträge zum Thema „Welche Landwirtschaft wollen wir im Vogelsberg“, am liebsten per E-Mail an: bund-vogelsberg(at)gmx.de

Am 27. Juni 2019 um 13:30 ist die Auftaktveranstaltung „Ökomodellregion Vogelsberg“ auf dem "Sonnenhof" der Familie Hampel in Schotten.

"Danke Julia" - aber da geht noch mehr!

Eine richtige Agrarwende sieht anders aus

Der Kreisbauernverband hat grüne Kreuze aufstellen lassen und das Plakat "Danke Julia" ist im Vogelsberg zu lesen. Es geht u. a. um höhere Auflagen für Pflanzenschutzmittel an Gewässern, die nach Ansicht des KBV Gießen über das Fachrecht hinausgehen würden. Und der Einsatz von Bauern für Insekten werde nicht genug gewürdigt. Nach der Sicht des BUND Vogelsberg sind diese Auflagen nicht zu einschneidend und schwer umsetzbar, sondern ganz im Gegenteil stark ausbaufähig:

Wir bräuchten dringend ein echtes „Agrarumweltpaket“ : Zukunftssicherung für die bäuerliche Landwirtschaft und für die Artenvielfalt auf Äckern und Wiesen. Leider hat unsere Regierung dazu bisher nicht den große Wurf geliefert. Immerhin gibt es Schritte in die richtige Richtung – leider zu zaghafte. Das Ackergift Glyphosat soll endlich verschwinden, aber erst Ende 2023  – warum hat man nicht wenigstens den Einsatz in Hausgärten sofort verboten? Immerhin sollen – leider erst 2021- Herbizide und einige Insektizide in Schutzgebieten verboten werden – aber das alleine wird nicht genügen. Der massive Rückgang der tierischen Ackerbürger Feldlerche, Goldammer oder Rebhuhn, und der Zusammenbrauch der Artenvielfalt auf den Äckern, werden sich nicht stoppen lassen, wenn es nicht auf der ganzen (Acker-)Fläche zu ökologisch verträglicheren Bewirtschaftungsformen kommt. Die Biodiversität unserer Kulturlandschaft hat sich nicht in (ziemlich winzigen) Naturschutzgebieten herausgebildet. Langfristig erhalten können wir sie nur auf der ganzer Fläche: durch kluge Zusammenarbeit von praktizierenden Landwirten und Naturschützern. Wir vom BUND sind dazu gerne bereit. Sehr gute Ansätze dazu gibt es bei uns im Vogelsberg bereits, ich nenne nur zwei Beispiele: ein Schottener Landwirt mäht seine Bergwiesen mit einem insektenschonenden „Doppelmessermähwerk“. Er kriegt dafür keine Extra-Zuschüsse und tut das als Einziger weit und breit. Und seit mehr als 10 Jahren haben sich Landwirte und Naturschützer im „Naturschutz-Großprojekt Vogelsberg“ zusammengerauft. Inzwischen ist es selbstverständlich, dass bäuerliche Betriebe mit dem Mähdrescher Saatgut von artenreichen Bergmähwiesen ernten.

Trotzdem ist es leider noch so: Während auf den Äckern und Feldern Europas die Bienen verschwinden und die Vögel verstummen, geht die Anzahl der Bäuerinnen und Bauern in alarmierender Geschwindigkeit immer weiter zurück. Wir sind deshalb ein wenig enttäuscht, wenn in den letzten Tagen manche Vertreter des Deutsche Bauernverband (DBV) mit ihren „Grünen Kreuzen" und der begleitenden Pressearbeit wieder in die alte Wagenburg-Mentalität des „lasst alles wie es ist“ zurück fallen. Schade - viele ihrer Berufskollegen können Öffentlichkeitsarbeit inzwischen besser: mit Bildern aus vorbildlichen Ställen und von bunten Wiesen und Weiden.

 

Glyphosat !

mit Martha Mertens

Jahreshauptversammlung und Film "The Green Lie" (Die Grüne Lüge)

Am 16.11.2018 fand die diesjährige Jahreshauptversammlung in dem urigen Lichtspielhaus in Lauterbach statt. Neben den Formalien wurde über die Projekte im Jahr 2018 berichtet und mithilfe einer Präsentation untermalt. Der Vorstand wurde gewählt und dann war es auch schon soweit: Es kamen immer mehr Besucher und wollten sich den Film "The Green Lie" anschauen.

 

Aus der Perspektive von Dokumentarfilmer Werner Boote und der deutschen Autorin Kathrin Hartmann, die sowohl eine Rolle als Konsument als auch als Journalist einnehmen, wird der Film erzählt. Auf einer Gala, bei der der Nachhaltigkeitspreis verliehen wird, stellen die beiden unangenehme Fragen und entlarven das Greenwashing, also das aufgesetzte Image, ein umweltfreundliches, nachhaltiges Unternehmen zu sein.

Zunächst wird beim Einkauf nicht darauf geachtet, dass die Produkte nicht von Konzernen stammen, die Palmöl verwenden, doch dann reisen sie in die betroffenen Länder und ihr handeln wird immer umweltfreundlicher. Auf einer Hersteller-Messe wirkt es schon fast komisch, dass die Stände mit Palmen und Orang Utans geschmückt sind. Sogar Urwaldgeräusche kann man aus den Boxen hören. Doch das Lachen bleibt einem spätestens bei den Bildern des abgebrannten riesigen Urwaldes, auf denen Palmölplantagen entstehen sollen, im Halse stecken. Schwarzer Boden so weit das Auge reicht. Die Einwohner erlitten Atemnot.

Herr Boote und Frau Hartmann schauen sich einen Berg aus Müll an, den ein Künstler angehäuft hat. Heutzutage gebe es nur noch Schrott, der kaum repariert werden kann. Sie machen sich bewusst, wie viel unnötige Dinge man doch kaufen kann und dass weniger mehr ist.

Mehrere Jahre nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon auf den Stränden am Golf von Mexiko gibt es noch Spuren der Ölpest, obwohl BP versprach, alles zu säubern . Sie haben jedoch nur eine Chemikalie gespritzt, damit das Öl von der Oberfläche verschwindet und in die Tiefen sinkt. Dementsprechend schlecht ist der Fang der Meerestiere und Kinder spielen sorglos am Strand, obwohl ernsthafte Gesundheitsschäden von den Ölbrocken ausgehen. Herr Boote fährt mit seinem tollen neuen Elektroauto durch die Gegend, doch Frau Hartmann macht ihm diese Freude zunichte, da nicht die Ursachen angepackte werden und auf öffentlichen Personennahverkehr umgesattelt wird, sondern weiterhin versucht wird, mit halbwegs umweltfreundlichen Produkten im Sinne der Lobbyiesten Gewinne zu machen. Auf dem Areal von RWE staunen sie über die halbe Mondlandschaft und amüsieren sich über die paar Windräder, die ein klarer Fall von Greenwashing sind. Passend zur möglichen kompletten Rodung des Hambacher Walds ist der Film aktuell. Der Film appeliert zur Energiewende.

Kurz wird noch auf die Enteignung von Land eingegangen, um darauf Soja für die steigende Nachfrage nach Fleisch anzubauen. Der hohe Wasser-, Flächen und Energieverbrauch von Fleisch wird angesprochen.

Am Ende treffen sie den Kern des Problems: Die Festhaltung am System Kapitalismus. Da versteht selbst Herr Boote, dass sich grundlegend etwas ändern muss. Der Verbaucher kann zwar in gewisser Weise Firmen dazu bewegen, ihr Angebot anzupassen, doch man kann nicht von jedem verlangen, dass er sich intensiv mit bio, fair, regional, saisonal etc. auseinandersetzt. Vorgaben müssen von der Politik kommen.

Der Film hat auf unterhaltsame Art schwierige Themen angesprochen immer mit Bezug auf den Zuschauer und was er selbst ändern kann.

Am Ende konnten sich die Besucher noch am Infotisch mit Flyern eindecken und sich austauschen.

Radeln zu Haberlachs

Ökomodellregion er-fahren – Radtour zu Öko-Betrieben Donnerstag, 18.06.2020

Treffpunkt: Bahnhofsplatz Alsfeld – damit Radler mitkönnen, die per Bahn anreisen, warten wir auf den Zug 16:45 aus Lauterbach. Achtung: letzter Zug Alsfeld nach Lauterbach: 20:45 Uhr.

Dauer: ca. 3h mit Imbiss bei Haberlachs, ca.10 km (Radweg und gute Feldwege, kurze Schotterstrecken). Bitte melden Sie sich an, damit wir den Imbiss planen können!

Bio-Produkte aus dem Vogelsberg, wo gibt es die? Wie prägt die Landwirtschaft meine Umgebung? Wie kann eine zukunftsfähige Landwirtschaft im Vogelsberg aussehen? Die Ökolandbau Modellregion Vogelsberg, der BUND und der ADFC Vogelsberg laden ein zur Fahrt durch die Felder. Ziel ist der Demeterhof Haberlach in Heimertshausen. Um 18 Uhr sind wir beim Melken dabei: draußen auf der Wiese. Unterwegs wird es genügend Zeit für den Austausch und Natur-Erleben am Wegesrand geben.

Hier der entsprechende Flyer: Link

Regionale Produkte, regionale Märkte im Vogelsberg

Vermarkten, aber wie? Was wird getan? Ein journalistisches Projekt des BUND vom Falter

Erlesene Kräutlein und mehr sind typisch für den Vogelsberg © Falter

Wie schnell ist die Welt wieder groß. Schnell begrenzten in diesem Frühjahr die eigenen vier Wände unser Handeln, und wie schnell lernte auch unsere Regierung, dass es Katastrophen gibt, die uns alle weltweit betreffen können. Katastrophen, die uns darüber nachdenken lassen, wie weit die Wege lebensnotwendiger Gütern sein müssen. „Regionalität“ – das ist mehr als Volkstümelei. Vielmehr beinhaltet dieser Begriff die Wertschöpfung vor Ort, ein gewisses Maß an Autarkie und somit Sicherheit, aber auch die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Dezentralisierung.

Die folgenden zwei Texte und noch mehr kann man auch auf der Internetseite http://www.faltercomix.de/FalterNews/FalterFeature.html nachlesen.

Der Koordinator für regionale Produkte

Interview mit Lorenz Kock, Amt für Wirtschaft und ländlichen Raum

© Krauß

Der Name der Behörde ist sperrig: Im Amt für Wirtschaft und ländlichen Raum kümmert sich Lorenz Kock um das Marketing des Regionalen. „Wirtschaftsförderung, Tourismus und Kultur“ heißt sein Sachgebiet. Griffiger klingt der Name der Website „Vogelsberger Original“ (https://vogelsberg-original.de), griffig soll auch das Konzept zur Vermarktung möglichst vieler Produkte sein. Ein Netzwerk ist am Entstehen, erklärt Kock im Gespräch mit FalterFeature, eine regionale Marke, die sowohl im „Food- als auch im Non-Food-Bereich“ helfen soll, bekannt zu machen, was bereits alles existiert und verkonsumiert wird oder noch werden kann.

Was ist „regional“?

Um typische Vogelsberger Produkte zu verkaufen, müsse das „Regionale“ an ihnen zunächst definiert werden, so Kock. Sind im Landkreis hergestellte Schrauben landestypisch? Da es sie bundesweit in genau der gleichen Ausführung gibt, eher nicht. Kräutermischungen mit Vogelsberger Kräutern hingegen seien Imageträger und würden so in das Marketingkonzept mit aufgenommen – sofern die Kräuter auch aus der Region kommen und nicht zugekauft werden müssen. So gesehen hat der Kaffeeröster doch keine Chance, oder? Hier widerspricht Kock. Zwar gedeihe Kaffee im Vogelsberg eher nicht so gut, wenn aber der Veredelungsprozess nur im Vogelsberg entwickelt worden sei und durchgeführt werde, so mache dies aus dem Kaffee ein landestypisches Produkt.
Um regionale Produzent*innen und helle Köpfe aus der Reserve zu locken, habe man einen Wettbewerb ins Leben gerufen. Hier war das Vogelsberger Höhenvieh (vgl. FalterFeature: Demeter: Bio mit Verbandszugehörigkeit, http://www.faltercomix.de/FalterNews/FalterFeature.html ) zunächst sehr angesagt, inzwischen werde jedoch mehr verlangt, als eine hiesige Rindersorte zu züchten. Heute, so Kock, werden konkrete Produkte verlangt, wie zum Beispiel die „Stracke“ vom Höhenvieh. Die Werbung ist laut Kock ein willkommener Nebeneffekt für den jeweiligen Betrieb. Wirbt der Landkreis also mit Leinenprodukten aus Schlitz, die mit Jagdmotiven oder traditionellen Mustern verziert sind, so ist dies ein Alleinstellungsmerkmal für den Kreis, aber die Leineweber werden „nicht unerwähnt“ bleiben und so neue Kundschaft finden, zumal auch der Link zum jeweiligen Unternehmen gleich angeklickt werden kann.

Binnenmarketing: Herkunft aus Birstein kein Hindernis

Die Kundschaft sitzt zunächst im Vogelsberg selber und weiß oft nicht, was unsere heimischen Produzenten zu bieten haben. Warum zu McDonalds schweifen, wenn die Stracke liegt so nah? Oder die Wildwochen? Oder, besser noch, die Gemüseköstlichkeiten, die Markus Pfeifer verteilt und über die wir noch berichten werden? Wer sollte eine auswärtige Agentur bemühen, wenn doch Ute Kirst um die Ecke wohnt? Und wussten Sie, dass Milan Art Kunstwerke und kreative Möbel herstellt, mit Sitz in Nieder-Stoll? Derart angesprochene, heimische Kundschaft, für die der Prophet in seinem Vaterland noch etwas gilt, gehört laut Kock zum Binnenmarketing. Dieser Markt sei klein, erklärt er, er umfasse, statistisch gesehen, knapp über 100.000 Menschen, durch fünf geteilt ergibt dies 20.000 Haushalte, die sich jedoch nicht alle so ohne weiteres von den Platzhirschen der deutschen Marktwirtschaft weglocken lassen.
Bedenke man also, dass die potentielle Kundschaft eher aus dem liberal-intellektuellen Milieu kommt, was laut Kock etwa 10 Prozent der Gesellschaft ausmacht, bliebe ein kärglicher Rest von 5000 Haushalten, für die sich die Vermarktung aber dennoch lohne und Vertriebswege geschaffen werden müssten, soll das Ganze sich rentieren. Hierzu muss man jedoch wissen, dass der Vogelsberg im wirtschaftlichen Sinne etwas weiter gefasst wird. Produkte (und Kunden) aus dem geographischen Vogelsberg, der von Amöneburg bis Bad Nauheim reicht, sind laut Kock ebenso willkommen wie Kauflustige aus Fulda. Die Herkunft eines Produktes aus Birstein ist für Kock kein Hindernis, es auf die Website zu nehmen.

Dass eine gut funktionierende Website, die oft geteilt wird und attraktive Produkte anpreist, für das „Außenmarketing“ unerlässlich ist, versteht sich von selbst. 

Erwünscht ist somit auch, dass die Produzierenden sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, ein neues Produkt, ein neues Design, eine andere Produktionsmöglichkeit, die Website sollte niemals langweilig sein. Mittelfristig soll das Netzwerk zum Selbstläufer werden, hofft Kock: „Wir wollen das Projekt möglichst schnell in die Freiheit entlassen“.

Ökotechnisch an der Spitze

Auf die Gretchenfrage, ob denn auch auf nachhaltige Produktion geachtet werde, antwortet Kock sehr deutlich: „So viel BIO wie nur geht!“. Der Vogelsberg sei Ökomodellregion, mit über 20 Prozent Öko-Anteil in der Landwirtschaft sei unser Landkreis in Hessen an der Spitze. Kock wünscht sich, dass nicht nur der Vogelsberg, sondern ganz Hessen Ökomodellregion würde.

Die Regionalmarke, unter der die Produkte im Internet vermarktet werden, heißt, wie gesagt, „Vogelsberg Original“ (https://vogelsberg-original.de/die-regionalmarke). Da ein eigenes Kontrollsystem derzeit den verfügbaren Rahmen sprengen würde, werden Zertifikate, welche die Betriebe aufzuweisen haben, im Rahmen eines Punktesystems anerkannt. Nur wer eine Mindestanzahl an Punkten erreicht, darf diese Marke nutzen. „Mit Ökozertifikaten hat man einen sehr guten Start“, erklärt Kock und fügt hinzu: „gentechnikfreie Produkte sind natürlich ein Muss. Ohne das geht gar nichts!“.
Wo Landwirte mit Ökosiegeln glänzen können, tut sich der Non-Food-Bereich jedoch schwer. Für Kunst, Handwerk und Design gibt es weniger Auszeichnungen als für Essen. Hier werde viel auf Vertrauensbasis gearbeitet. „Wir verlassen uns auf das Pfadfinderehrenwort“, erklärt Kock. So sollten Rohstoffe möglichst auf ökologischem Anbau kommen, Holz aus zertifizierten Wäldern und Öko-Wolle verarbeitet werden. Allerdings ist ein eigenes Kontrollsystem durchaus im Rahmen des Möglichen, angedacht ist zudem die Zusammenarbeit mit einer Marketinggesellschaft, um die Kosten ein wenig erträglicher zu gestalten. „Regelmäßige Kontrollen erfordern qualifizierte Leute“, sagt Kock, und die seien nun einmal nicht zum Nulltarif zu haben.
Für die Landwirtschaft gibt es in Alsfeld bereits die Agrar-Beratungs- und Controll GmbH (ABCG Alsfeld, https://www.abcg-alsfeld.de ). Mit ihr, so Kock sei man im Gespräch, Kontrollen könnten zudem teilweise an externe Marketinggesellschaften abgegeben werden, wobei die Kosten nicht auf die Produzenten abgewälzt werden sollten. Wie genau all dies aussehen könnte, darüber müsse noch im Rahmen von Info-Veranstaltungen und runden Tischen beraten werden. Im Odenwald würd ein solches Konzept bereits umgesetzt, erklärt Kock, hier könne man voneinander lernen.

Zusammenfassend sagt Kock schließlich, dass es bei der regionalen Vermarktung neben regionalen Bezügen und ökologisch sinnvoller Produktion vor allem die kurzen Wege seien, die der Umwelt bereits nützten.

Sabine Gürtler-Hartl vor ihrem Regal mit regionalen Produkten © Falter

REWE / Nahkauf: Region wird großgeschrieben


Sabine Gürtler-Hartl vor ihrem Regal mit regionalen Produkten Foto: Falter

Auf eine ähnlich lange Tradition wie das Reformhaus kann der „Nahkauf“ am Wörth zurückblicken, besser bekannt als „Der Gürtler“. Hier wird Regionalität großgeschrieben, neben exotischen Köstlichkeiten haben Produkte aus dem Vogelsberg schon immer ihren Platz in den Regalen gehabt. Die Urgroßeltern hatten bereits ein Kolonialwarengeschäft, dort, wo heute der Tabakladen ist, erzählt Sabine Gürtler-Hartl, die das Geschäft von ihrem Vater übernommen hat.
Ein Regal ist hier für Bioprodukte reserviert, eines für regionale Lebensmittel. Durch das Fokussieren auf diese Produkte wolle man sich ein wenig absetzen von anderen Läden am Ort. Früher, so erzählt Sabine Gürtler-Hartl, seien die Nahrungsmittel im Sortiment integriert gewesen. Inzwischen habe man sich anders entschieden, der Kunde solle „nicht ständig rechnen müssen“, sondern auf einen Griff die regionalen oder Bioprodukte haben. Selbst der Schreiner, der die Regale hergestellt hat, ist aus der Region, sie wurden von der Schreinerei Obenhack gefertigt.

Das Sortiment der Gürtlers kann sich sehen lassen. Secco und Apfelwein kommen aus der Nähe, Fleisch von der Metzgerei Hahn, und seit Altenschlirf seine Käserei eingestellt hat, kommt der Käse aus der Hungener Käsescheune, Kochkäse hingegen aus Mackenzell. Bio-Eier liefert der Vulkanhof Euler, Bauer Petersen aus Hünfeld-Mackenzell ergänzt die Auswahl mit Freilandeiern. Je nach Saison kommen Erdbeeren von Bauer Ziegenhain aus Ulrichstein dazu, wer es gerne süß mag, greift zu Gelees und Likören aus Metzlos oder Honig von Imker Staubach aus Herbstein.

Bio? Hier wird Sabine Gürtler-Hartl nachdenklich. Leider ist regional nicht immer bio, das Fleisch von Metzger Hahn ist zum Beispiel konventionell erzeugt. Andererseits sind Bioprodukte oft nicht als solche deklariert, da die Auflagen nicht in voller Gänze vom Erzeuger zu leisten sind. Hier ist definitiv noch Luft nach oben.

Gürtler-Hartl bleibt am Ball, will das Beste für ihre Kundschaft. „Man sollte viel für die Region tun, guten Service bieten, schließlich leben wir hier“, gibt sie zu bedenken.

Rainer Dietz neben einem Reh aus der Region. © Falter

Auf das Regionale eingeschossen: Wildwochen beim Hotelier


Rainer Dietz neben einem Reh aus der Region. Foto: Falter

Im Posthotel Johannesberg wurde immer schon regional gewirtschaftet. Die Gäste lieben’s deftig. Reh, Wildschwein, Hirsch und Fisch bringt neben der Waldgesellschaft Riedesel auch der Jäger Horst Ludwig; Schwein und Lamm kommen ausschließlich aus der Region, nur beim Rind muss Inhaber Rainer Dietz zuweilen auf Fleisch aus dem hessischen Inland zurückgreifen. Mit der Metzgerei Hahn arbeitet Dietz zusammen, immer schon, nur den Forellenzüchter musste er zwischendurch wechseln, da die Forellenzucht aus Storndorf den Betrieb aufgab. „Immer schon“ beginnt in den frühen achtziger Jahren, Fisch aus der Region bietet er seit den frühen 90er Jahren an. Zuweilen sei es schwierig gewesen, Lieferanten zu finden, erzählt er. Nicht nur die Frage „Wer produziert was?“ sei entscheidend gewesen, sondern auch: „Wer produziert wieviel?“. Absatzprobleme machten die Sache nicht leichter: „Der Züchter verkauft eine halbe Wutz, aber die Gäste wollen nur die Lendchen“, gibt der Gastwirt zu bedenken. Daher nimmt er von Rind und Schwein auch nur Teilstücke.
Nicht so beim Wild. Dies kauft er in der Decke und zerwirkt und verarbeitet es ganz, schon allein aus praktischen, aber auch aus gesetzlichen Gründen. Nicht jeder kann den Auflagen genügen, die er erfüllen muss, will er Wild aus der Decke schlagen und verkaufen. Gleichzeitig wird der Jäger, sobald das Wild aus der Decke geschlagen ist, zum Wildhändler und ist wiederum anderen, schwierigeren Gesetzen unterworfen, will er sein Wildbret loswerden. Um diese Gemengelage zu vermeiden, hat Dietz sich so eingerichtet, dass er selber das Wild fachgerecht verarbeiten kann, mit verschiedenen Bereichen für das nicht verarbeitete Stück sowie das Fleisch. Was der Gast nicht als Lendchen oder Keule verzehrt, wird zu Gulasch, der ebenso beliebt ist. Im September sind unter anderem Wildwochen, freut sich Dietz. Dieses Wild ist auch bio, das biologisch wertvollste Fleisch überhaupt, denn das Tier hat niemals Antibiotika gesehen und äste ausschließlich in unseren Wäldern. Dietz bedauert ein wenig, dass das Schlachtfleisch, das er anbietet, diesem Standard nicht entsprechen kann, aber auch hier kann man auf kurze Wege verweisen, die ebenfalls dem Umweltschutz dienen.
Obst und Gemüse findet er man im Vogelsberg eher weniger, zumindest nicht genug, um ein Restaurant damit zu bestücken. Eine Ausnahme bilden Pilze von einer Pilzfarm in Hopfgarten und natürlich die Getränke. Der Saft kommt aus ganz Hessen, das Bier von hier: Das Posthotel Johannesberg bietet das gesamte Sortiment der Lauterbacher Brauerei, zur Freude der Kundschaft. Vielleicht könnte Markus Pfeifer hier Gemüse anliefern?

Dirk Kurzawa vertreibt neben Wein nicht nur Produkte aus dem „Food“-Bereich. © Falter

Kein regionaler Wein: Dirk Kurzawa unterstützt den Non-Food-Bereich

Wein im Vogelsberg? Noch nicht so wirklich, meint Dirk Kurzawa, der Inhaber des Lauterbacher Weinkontors. Noch ist der Klimawandel nicht so weit fortgeschritten, dass der Rebensaft aus eigenen Gefilden kommen kann, bis auf Wingershausen, einen Weinberg gönnt. Allerdings hat auch Kurzawa ein Rahmensortiment mit regionalen Produkten. Wer Wein liebt, schätzt auch Honig aus Grebenhain, Apfel“Sherry“ aus der Rhön, außerdem züchtet Kurzawa Skudden und verkauft seine eigene Salami.
Höhepunkte im Weinkontor sind Wein- und Käseabende mit Käse von den Fuchshöfen, wo die Kühe noch Hörner haben dürfen. Wurst kommt vom Metzger in der Nähe, nicht bio, meint Kurzawa, aber mit kurzen Wegen.
„Bio steht hier neben regio“, meint der Weinhändler und kommt auf seine Salami zurück. Eigentlich, so gibt er zu bedenken, seien die Würste bio, nur eben nicht zertifiziert. Seine Skudden bekommen keine Medikamente, sind auch fast nie krank. Sie futtern direkt vom Magerrasen, der nicht gedüngt wird, außer von den Schafen selbst. Ein Zertifikat, sei es bio oder regio, sorge für Transparenz, so Kurzawa. Hier auf dem Land allerdings kenne jeder die Wege, die das Essen gegangen sei, somit sei Transparenz oft von alleine gegeben. „Man ist, was man isst“, erklärt der Skuddenzüchter mit einem Augenzwinkern, „und wer billiges Schweinefleisch vom Discounter isst, ist eben auch…“ hier grinst er nur noch.
Die regionalen Produkte sowie seine Bio-Weine stehen bei den anderen Weinen und Köstlichkeiten im Regal. Ein eigenes Bioregal lehnt Kurzawa ab, um diese Produkte nicht zu stigmatisieren.
Sein Sortiment wird abgerundet durch Bücher von der hiesigen Buchhandlung „Das Buch“ sowie Designprodukte von Ute Kirst. Hier verlassen wir den Food-Bereich und betreten den Non-Food-Bereich, doch das ist eine andere Geschichte, die soll ein andermal erzählt werden.

Der Distributor von regionalen Produkten (m/w/d)

Markus Pfeifer vertreibt für Biobauern, aber auch für Gemüsegärtner*innen Produkte aus heimischen Gefilden. © Falter

Nach dem Gespräch mit Lorenz Kock vom Landkreis, der auf höherer Ebene die Vermarktung von regionalen Produkten pusht und unterstützt, ziehe ich meine Kreise enger. All diejenigen, die mit diesen Produkten handeln, wer könnte das sein? Angesichts der vielen verschiedenen Läden, Verkäufer, Restaurants und sonstiger Verteiler ist es in diesem Rahmen schier unmöglich, ein komplettes Portrait aller Beteiligten zu zeichnen. Ein Ausschnitt hingegen scheint sinnvoll. Wer aber verkauft Produkte aus dem Vogelsberg, wo anfangen?
Markus Pfeifer, selber Gemüsegärtner, hilft Biobauern, aber auch Kleingärtnern, ihre Produkte zu verkaufen.

Markus Pfeifer: Bioverteiler mit viel Engagement

Ein ganz besonderer Distributor ist Markus Pfeifer. Er hat keinen Laden, er verteilt, bringt Produkte von ökologischen Direktvermarktern an den kleinen Mann und die kleine Frau, beliefert Privatleute, überwiegend mit Gemüse. Er möchte Verbraucher*innen miteinander vernetzen und tut dies auch erfolgreich. Besitzer von Streuobstwiesen wenden sich an ihn, aber auch, wer zuviel Salat, Bohnen oder Zucchini im Gemüsegarten hat, kann denselben über Markus Pfeifer weiterverkaufen. Markus Pfeifer verkauft an andere, nicht gewerbliche Betriebe, aber auch gleich an den Verbraucher. Werbung macht Pfeifer durch Flyer, per Email, durch Mund-zu-Mund-Propaganda, über die Website des BUND ist er zu finden. „Eher idealistisch“ stuft er seine Tätigkeit ein, die er neben seinem Job als Chemielehrer an einer Privatschule noch wahrnimmt. Die Fahrtkosten sind hoch, er hofft, dass sich sein Handel ab einer bestimmten Größe lohnen wird.
Probleme sind für ihn die bislang noch schleppende Akzeptanz durch den Verbraucher, aber auch Dürre, schlechte Ernten, oder einfach die Tatsache, dass Gemüse aus dem eigenen Garten oft weniger fotogen ist als vom Foodstylisten und Werbefotografen präsentierte Ware. Qualität schmeckt man, aber man sieht sie oft nicht. Dennoch möchte er weitermachen, einmal wöchentlich sein Gemüse ausfahren, bevor er sich wieder den Wundern der Chemie, aber auch Mitarbeit an Bauprojekten an der Waldorfschule in Loheland widmet, denn Pfeifer ist gleichzeitig gelernter Fliesenleger und Steinmetz.
Alsfeld, Lingelbach, Lauterbach, Brauerschwend und seine Nachbarsdörfer, Hopfgarten sowie gelegentlich das Landschulheim am Hoherodskopf stehen auf der Route des Tausendsassas, was auf dieser Route liegt, beliefert er selbstverständlich ebenfalls gerne, zwischen Brauerschwend, Stockhausen und Kleinlüder Fährt er täglich, dort könnte er auch täglich liefern, erklärt der Idealist.
Sein Angebot ist saisonabhängig: „Es ist überhaupt nicht mein Ziel, ganzjährig alles anzubieten!“, betont er, vielmehr müsse der Verbraucher sich nach der Saison richten. So füllen im Winter die Knollen das Lager. Sellerie, Kohl, Wurzelgemüse sind die Hits, hinzu kommen aber auch Kürbisse und Kohl. „Wir haben Gemüse vor der Haustür“, gibt er zu bedenken, viele Wege würden unnötig, würde man dies richtig nutzen.
Pfeifer baut auch selber an, führt stolz durch einen prachtvollen Gemüse- und Kräutergarten, den er im Schweiße seines Angesichts dem lehmigen Boden abgerungen hat. „Hier wuchs am Anfang fast gar nichts“, lächelt er, während er durch die mannshohen Stauden führt und die Kräuter erklärt. Einen Acker hatte er auch einmal, doch das wurde dem alleinerziehenden Vater dann doch irgendwann zu viel. Hühner gackerten durch das Idyll, bis der Marder kam. 
Zehn bis zwanzig Prozent des Verkaufspreises gehen an Markus Pfeifer, je nach Aufwand. So ist das Ausliefern von Salat aufwändiger als das Ausliefern von Möhren, denn ersterer muss gekühlt werden und verdirbt schneller.
Leider ist Pfeifers Tätigkeit auch mit Bürokratie verbunden. Alles muss immer wieder abgewogen und verpackt werden. Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) wäre hier besser, gibt Pfeifer zu bedenken. Bei dieser Form der Verteilung bringt die Kundschaft sich, je nach Geldbeutel, mit Zaster oder mit Leistung ein. Wer Zeit hat, kann auf dem Feld mitarbeiten, wer Geld hat, zahlt, und zwar per Abonnement. Die Produkte werden dann an einen Sammelplatz gebracht, wo ein Schild die Abnehmer*innen darüber informiert, was jede*r sich nehmen darf. Einen Versuch hatte ein Lingelbacher Landwirt gestartet, der auch eine Bäckerei und einen Hofladen führt, doch „die Kunden gehen an dem Gemüse vorbei und kaufen bei Tegut.“. Die nächste SoLaWi ist in Bad Hersfeld, weitere sind in Bebra, Rothenburg und Fulda. Ein weiterer ihm bekannter Landwirt Verkaufte auf diese Art Biokisten, deren Inhalt jedoch die Saison bestimmte. Wer bestimmte Gemüse nicht mochte, konnte tauschen. Auch in Alsfeld ist eine SoLaWi angedacht, erzählt Pfeifer, der Weltladen habe sich als Depot zur Verfügung gestellt.
Oft läuft auch bei Pfeifer nicht immer alles rund. „Mein guter Name soll nicht auf so einer komischen Liste stehen“, meinte ein Bauer, den er angesprochen hatte. Vorurteile, Angst, „bürgen“ zu müssen, aber auch Furcht vor der Konkurrenz hindert den einen oder anderen Gemüsegärtner daran, mit Pfeifer zu kooperieren. Gerade letzteres kann Pfeifer nicht verstehen. „Wenn doch einer Käse macht und der andere Brot – wo ist denn da die Konkurrenz? Das ergänzt sich doch!“, gibt er zu bedenken und wünscht sich, es gäbe mehr Kooperation zwischen verschiedenen Läden und Händlern. Leider scheuen sich viele davor, andere an ihren Produkten mitverdienen zu lassen.
Zusammen mit dem Biolandwirt seines Vertrauens erarbeitet Pfeifer derzeit ein Konzept, wie man auch in Dürrezeiten Gemüse wirtschaftlich anbauen kann, indem man z.B. kleine Staudämme anlegt, aus denen man in Notzeiten die Beete und Felder bewässern kann – nach Möglichkeit, ohne den ganzen Tag Wasser fahren zu müssen.
Schmeckt man denn eigentlich den Qualitätsunterschied zwischen Biogemüse und konventioneller Ware? „Kinder merken den Unterschied“, erklärt Pfeifer hier. Gerade darum sei es nicht richtig, Kinder von klein auf an Essen „aus der Retorte“ zu gewöhnen und auch nicht nötig, auch wenn Kinder gerne Zucker und Süßigkeiten äßen. „Manchmal lege ich einen Bund Möhren zwischen meine Söhne auf die Rückbank. Wenn ich zu Hause angekommen bin, finde ich oft nur noch das Kraut“, schmunzelt der stolze Vater. Solche gesunden Naschereien sollten jedermann zugänglich sein. Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, die durch Engagement wie das Pfeifers gedeihen, helfen dabei.

Das Reformhaus: Backwaren aus der Nähe

Im Gegensatz zu Pfeifer, der seine Mission erst seit einigen Jahren erfüllt, ist das Reformhaus ein Traditionsunternehmen. Schon der Vater habe ein starkes Team aufgebaut, erzählt Werner Pontow, von 1974 bis 2020 Inhaber desselben, bevor das Unternehmen an Reiner Hermann überging. Gesund sollen die Nahrungsmittel sein, gesund und möglichst naturnah. Dieser Gedanke steht allerdings über der Idee, Produkte aus der Region zu vermarkten. Mit anderen Worten: Wenn ein regionaler Landwirt nicht bio ist, akzeptiert das Reformhaus seine Produkte nicht, da ist Pontow eisern.
Ganz aus der Welt ist der regionale Handel für den ehemaligen Ladeninhaber dennoch nicht, vielmehr versuchten die Pontows und ihre Nachfolger, immer wieder, beides zu verbinden. Vor 30 Jahren sei ein spezielles Regalsystem mit Produkten aus dem Vogelsberg ausprobiert worden. „Durchgestylt“ sei es gewesen, erinnert sich Pontow, begleitet von einem speziellen Logo, beides habe sich leider nicht durchgesetzt. Grund dafür war der zursätzliche Arbeitsaufwand. Man habe die Produkte selber holen müssen, Fahrten nach Altenschlirf und weiter lohnen sich laut Pontow nur in größerem Umfang.
Es folgten Experimente zur Nachhaltigkeit. Nachfüllstationen für Getreide wurden errichtet, was nicht nur die Kundschaft, sondern auch die Motten freute, die man kaum aus den Behältern heraushalten konnte. Die Idee war laut Pontow nicht schlecht, nur eben für Getreide nicht geeignet. Körperpflegeprodukte wie Shampoo, das die Kundschaft sich dann selber abfüllen könne, seien eher eine Möglichkeit, Verpackung zu sparen.
Selbstvermarktung scheitere oft an den Ansprüchen der Käufer*innen. Krummes Gemüse, vielleicht mit etwas Sand und Erde daran, seien oft nicht gewünscht, polierte Fließbandware könne der Biobauer aber nicht immer liefern, der Bio-Gemüsegärtner erst recht nicht. In kleinen Mühlen gemahlenes Vollkornmehl hat oft „Spelzen“, da greifen viele lieber zum in großen Mühlen gemahlenen Feinmehl.
Eine Ausnahme machte bis vor kurzem die Bäckerei Regulski, deren Produkte in einem eigenen Bereich angeboten wurden, ebenso deren Nachfolger, der jetzt die Backstube übernommen hat. Auch solle bald die Firma Selgenhof ihre Produkte verkaufen, allerdings ins Sortiment integriert, erklärt Pontow, der als begeisterter Anhänger der solidarischen Landwirtschaft auch gerne mit Markus Pfeifer zusammenarbeitet. Problematisch sei bei Pfeifer, dass man nicht immer mit Produkten rechnen könne, je nach Wetterlage oder ähnlichen Widrigkeiten. Wenn die Bienen mit der Produktion nicht nachkämen, gäbe es eben keinen Honig, schmunzelt der Händler, dies mache die Sache zuweilen schwierig.

Vortrag zu biozyklisch-veganem Anbau beim veganen Brunch im Freiwilligenzentrum

Der Vortrag von Anja Bonzheim (Biozyklisch-Veganer Anbau e.V.) zur biozyklisch-veganen Landwirtschaft beim veganen Brunch im Freiwilligenzentrum im Klostergarten Alsfeld wurde auch vom BUND besucht. Es ging dabei um die Frage, wie Landwirtschaft ohne Tiere, die für wirtschaftliche Zwecke genutzt werden, funktioniert und warum wir Menschen uns dafür einsetzen sollten.

In der Pressemitteilung von Animal Rights Watch Ortsgruppe Vogelsberg heißt es, „Biozyklisch-veganer Anbau ist ein Beitrag zum Klimaschutz und zur Welternährung. Höhere Erträge werden durch eine verbesserte Bodenfruchtbarkeit mithilfe von Humuserde aus pflanzlichem organischem Material und eine effizientere Flächennutzung möglich. Umstellungsinteressierte Betriebe können sich nach den biozyklisch-veganen Richtlinien kontrollieren und von einer Bio-Kontrollstelle zertifizieren lassen“, erklärte Bonzheim. Sie berät und unterstützt Betriebe, die auf eine nutztierfreie Landwirtschaft umstellen wollen.

Biozyklisch-Veganer Landbau

In der biologischen Landwirtschaft nehme die Zahl der Betriebe ohne eigene Tierhaltung zu. Dort seien enge Stoffkreisläufe wichtig und der Verzicht auf synthetische Düngemittel, Pestizide und gentechnisch veränderte Organismen. Im biozyklisch-veganen Landbau werden darüber hinaus keine Tiere zu wirtschaftlichen Zwecken gehalten und auch keine Produkte aus Tierhaltung oder -schlachtung verwendet, wie Mist, Gülle, Knochen-, Blut- oder Hornmehl, Haarpellets und vieles mehr. Eine möglichst regionale Erzeugung und Vermarktung, Ressourcenschonung und Förderung der Artenvielfalt werden angestrebt.

Anja Bonzheim machte auch deutlich, dass unsere derzeitige typisch westliche Ernährung dem Klima mehr schadet als der gesamte Verkehr. Tierischer Dünger sei bei genauer Betrachtung ineffizient, da die Tiere viel Energie verbrauchen, um Gülle als Düngung zu erzeugen. Diese sei außerdem problematisch, da Antibiotikarückstände nicht auszuschließen und Nitrat-Auswaschungen an der Tagesordnung seien – mit den bekannten Schäden für unser Grundwasser und die Oberflächengewässer. Da biozyklisch-vegane Betriebe keine Exkremente oder Körperteile von Tieren auf ihre Flächen ausbringen, bestehe kein Risiko, dass antibiotikaresistente Keime aus der Tierhaltung auf die Felder gelangen.

Auf rein pflanzlicher Grundlage zu wirtschaften schone Umwelt und Ressourcen und vermeide zudem die Ausbeutung von Tieren. Die Bodenfruchtbarkeit lasse sich auch ohne sogenannte Nutztiere erhalten oder aufbauen. So sei der bio-vegane Anbau die Landwirtschaft der Zukunft für Um- und Mitwelt und für uns Menschen.

In Griechenland hat biozyklisch-veganer Anbau Tradition

Dass der biozyklisch-vegane Landbau funktioniert, beweisen seit vielen Jahren bio-vegan ausgerichtete Betriebe. In Griechenland wirtschaften bereits 60 kleinbäuerliche Betriebe nach den biozyklisch-veganen Richtlinien und exportieren ihre Produkte nach ganz Europa. Da landwirtschaftliche Betriebe in Griechenland Pflanzenbau und Tierhaltung traditionell getrennt haben, sind die dortigen Ackerbaubetriebe bereits seit langer Zeit darauf ausgelegt, ohne tierlichen Dung zu arbeiten. Deren Wissen können andere Landwirte nutzen, die auf die biozyklisch-vegane Erzeugung umstellen möchten. Der Verein Biozyklisch-Veganer Anbau e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, in Deutschland Betriebe für diese tier- und umweltfreundliche Art des Landbaus gewinnen.

Die schweizerische Bio-Pionierin Mina Hofstetter betrieb und propagierte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vegetarischen Bio-Landbau. Einer der bekanntesten bio-veganen Betriebe, der Gärtnerhof Bienenbüttel, wirtschaftet seit über 35 Jahren auf trockenem Heideboden sehr erfolgreich ohne tierische Düngemittel. Nach Angaben von ProVeg (ehemaliger Vegetarierbund Deutschland) hat die Anzahl der vegan lebenden Menschen in Deutschland zwischen 2008 und 2016 von 80.000 auf 1,3 Millionen zugenommen. Und der Trend halte weiter an. Dazu gebe es nach Angaben des Marktforschungsinstituts Skopos ein Potenzial von knapp zehn Millionen Menschen, die sich zukünftig ohne Fleisch, Eier und Milchprodukte ernähren möchten.

Zusammenfassend erklärte die Master-Absolventin in Öko-Agrarmanagement Biozyklisch-vegan angebaute Lebensmittel seien gut für die Gesundheit: Keine Antibiotikarückstände oder Keime aus Gülle und Schlachtabfällen, dafür nährstoffreiche, vitale Pflanzen. Sie betonte auch die Verbesserung derBodenfruchtbarkeit bei biozyklisch-veganen Anbau beispielsweise durch Gründüngung, Zwischenfrüchte, das Mulchen von Kleegras und die großflächige Verwendung von Humuserde. Zudem böten biozyklisch-vegan bewirtschaftete Flächen vielen Mikroorganismen und Wildtieren ideale Lebensbedingungen. Die Artenvielfalt steige durch weite Fruchtfolgen, Mischkultur, schonende Bodenbearbeitung sowie das Anlegen von Hecken und Blühstreifen. 

Die Kuh ist kein Klimakiller